Viel...
- Joelle Neidhart
- 28. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
In den letzten Wochen ist es still um mich geworden. Es war viel. Viel auf jeder Ebene.
Ich brauchte und brauche Erholung. Zeit für mich, Zeit meine Batterien wieder aufzuladen. Zeit zu verarbeiten, Sacken zu lassen und mich neu auszurichten.
Ich merke, dass ich, wir nicht nur ein Tageskontingent an Energie zur Verfügung haben, sondern auch ein Jahreskontingent und das ist bei mir aufgebraucht. Das Jahr war viel und der Dezember verlangte noch alles, was ging von mir. Ich arbeite 100% als Primarlehrerin und ich liebe meinen Job. Gleichzeitig ist er intensiv und anspruchsvoll. Sobald ich das Schulareal betrete, gebe ich nur noch. Ich versuche allen Bedürfnissen der einzelnen Kinder, Mitarbeiter*innen stets zu berücksichtigen, darauf passend einzugehen und treffe 1000 Entscheidungen und mehr am Tag. Ständig will noch jemand was «kurz» von mir und nicht mal meine eigene Klassentüre kann ich von innen abschliessen, um etwas Ruhe zu bekommen. Zudem ist es die Zeit, wo die meisten krank sind. Das heisst ich bin nicht «nur» mit den Anforderungen meiner Klasse konfrontiert, sondern habe auch noch "ständig" andere Schüler*innen aus anderen Stufen und anderen Klassen bei mir. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter*innen und Eltern selber am Limit und es braucht kaum noch was, dass das Fass zum Überlaufen bringt. Die Töpfe aller sind randvoll und irgendwie herrscht eine echt negative Stimmung um mich herum. Ich als Hochsensible nehme die so sehr wahr, als wäre es meine eigene und habe immer mehr, auch hinsichtlich meines vollen Topfes, Mühe damit mich abzugrenzen. Zudem glaube ich, dass viele auch bewusst oder unbewusst unglücklich und frustriert sind. Wieder ein Jahr das zu Ende geht wo dieses und jenes nicht so lief wie erwünscht. Wo dieser und jener nicht das gemacht hat wo erhofft wurde. Wo dieses und jenes nicht erreicht, nicht erlebt wurde. Ständig das Aussen, wo das Innen bestimmen soll.
Dabei ist es doch umgekehrt? Das Innen bestimmt das Aussen. Denn das Aussen ist nur ein Spiegel dessen, was sich im Inneren abspielt. Nur dann müssten die Menschen an sich arbeiten, hinschauen, genau überprüfen, Tabularasa beziehen und sich seiner eigenen «Schuld» bekennen, Verantwortung übernehmen. Das ist unangenehm. Also haben alle anderen Schuld. Diesen Frust, diese Mikroaggressionen, all das bekam ich ständig zu spüren und irgendwie versuchten auch gewisse Leute ihre Probleme zu meinen zu machen. Da ich anfällig bin fürs Helfen / das Helfersyndrom habe, bin ich natürlich prädestiniert dazu, mich da auch reinziehen zu lassen und brauche extra Kraft dafür, mich abzugrenzen - so gut es eben geht. Auch habe ich erst mit 32 Jahren gelernt Nein zu sagen und auch das fällt mir heute noch sehr schwer. Gerade auch in einer Gesellschaft wo ein Ja als Antwort reicht und ein Nein stets mit einer fast schon niederknieenden Erklärung und Entschuldigung dessen einhergeht – wobei ein Nein als Antwort an sich doch eigentlich mehr als reichen sollte.
Deshalb mein Rat an dich. Weniger ist mehr. Lass es liegen. Lass den Haushalt, lass die Post. Egal was, lass es. Schaff dir Inseln, Ruhe, Raum für dich. Egal wie viel es ist, es ist mehr als weniger. Verschaff dir eine Stunde, einen Morgen – egal wie lange. Du bist wichtig. Denn wenn du fällst, fällt alles um dich herum. Sag Nein zu den Anderen und Ja zu dir. Du kannst nicht beides. Entweder du sagst Nein zu dir und somit Ja zu den Anderen oder eben hoffentlich Ja zu dir und Nein zu den Anderen.
Es war viel. Das Jahr darf enden, du darfst zur Ruhe kommen. Es ist die Zeit der Ruhe, der Besinnung, der Erholung. Dasselbe siehst du auch an der Jahreszeit, dem Winter. Er sorgt nicht nur in der Natur dafür, dass sich alles erholen, ruhen und neu ausrichten darf. Auch wir sollen und dürfen das nun.
Du darfst Nein sagen. Wer es nicht versteht, der versteht’s halt für einmal nicht. So what?! Dadurch bist du kein schlechterer Mensch. Im Gegenteil, vielleicht wird die Person dazu inspiriert ebenfalls mehr Ja zu sich zu sagen, da derjenige oder diejenige die Erlaubnis dazu erhält, indem er oder sie sieht, du erlaubst es dir auch.
Wenn du auf Gegenwehr stosst, ebenso – so what!?
Aussagen der Anderen sagt immer mehr über sie als über dich aus.
Lies diesen Satz nochmals!
Ich bin nicht auf dieser Welt, um so zu sein, wie ihr mich haben wollt.
Schulz von Thun
Mit diesen Worten schliesse ich meinen jetzigen Blogbeitrag und wünsche erholsame Tage. Verbringe sie nach deinen Wünschen, in deinem höchsten Sinne und sag im Zweifelsfall bitte Nein zu den Anderen und Ja zu dir.
Heute habe ich nicht Stunden damit verbracht, alles zu redigieren, neu zu gliedern und formatieren. Es wollte einfach raus. Roh. Wie es nun ist. Dafür echt und von meinem Herzen an deines. Sie also bitte nachsichtig, falls was nicht perfekt ist – denn ich bin es auch nicht und das ist gut so.
Deine Joëlle

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